Manche ärgern sich, wenn sie läuten. Zum Beispiel am Sonntagmorgen.
Vielen fällt es auf, wenn sie schweigen. Dann fehlt etwas.
Ganz bewusst schweigen unsre Glocken in der Zeit zwischen Karfreitag und Osternacht.
Dadurch sollen sie einer Botschaft Gehör verschaffen: Gott hat sich im Kreuz selbst aufgegeben, um auch diesen Lebensbereich mit uns zu teilen.
Totenstille – und zugleich Ruf zum Leben.
Doch in der Regel läuten die Glocken. Sicher, ein Stück Tradition aus Zeiten, als noch nicht jeder eine Uhr hatte.
Doch vor allem laden sie ein, mitten im Leben zur Ruhe zu kommen. Zu schweigen. Zu Beten. Sich bewusst werden: Ich lebe inmitten von Leben, das um Gottes Willen leben soll (nach Albert Schweitzer formuliert).
Im Schweigen neu auf das Leben zu lauschen: Von Gott, mit Gott, zu Gott.
Darum läuten die Glocken mitten am Tag mehrmals, und am Sonntag erst recht.
Auch bei uns.
In diesen Tagen herrscht an vielen Orten Schweigen. Mir wird das bewusst z.B. bei Kinderspielplätzen: So schönes Wetter – und nun Stille. Ach, wie wertvoll ist doch Kinderlachen…
Es wird Zeit, die Welt ins Gebet zu nehmen, all die, die jetzt zwangsweise nichts zu tun haben, aber nun um ihr Auskommen, um ihr Dach über den Kopf, oder als besorgter Betriebsleiter um ihre Belegschaft fürchten müssen. All die, die alles tun, damit Menschen auch in dieser Ausnahmezeit geholfen wird.
Noch darf ich morgens meine Runden in freier Natur drehen. Unverdientermaßen kann ich die Zwangsruhe nutzen, auf das, was um mich ist, besser aufzumerken. Ein Achtsamer Blick auf das, was die Schöpfung uns auch in diesem Frühjahr schenkt.
Und zugleich ist das erschreckendes Schweigen. Kaum Insekten. Keine Kröten, die da wandern. Viel zu wenig Vogelsang.
Ich ahne:
Was wir gerade an Solidarität neu lernen müssen, werden wir dringend brauchen, wenn diese sogenannte Coronaviruskrise einigermaßen in Griff ist. Denn da ist immer noch die Pandemie, in der gerade so viel Natur stirbt. Und z.B. das Lebensmittel Wasser lebensbedrohlich gefährdet ist rund um den Globus. Und so weiter.
Wir müssen unsere Freiheit und unsere Demokratie nutzen, um im sachlichen Dialog zu erkunden: Wo müssen wir uns in Zukunft stark zurücknehmen? Und so manches neu gestalten? Weil eben nicht „Weiter so“ und nicht „My life/fun/holiday first“.
Noch läuten die Glocken. Stunde um Stunde, und zwischendurch etwas länger. Es könnte gut sein, darauf wieder bewusster zu achten und inne zu halten. Auch für ein Gebet.
Auch wenn die Glocken mal schweigen.
Schweigen lehrt Hören. Zu-hören, Nach-denken, Für-sorgen.